Die EU-Urheberrechtsreform – Eine Analyse in vier Teilen: Teil 2

Am 26. März 2019 wurde vom Europaparlament die Richtlinie zur Reform des Urheberrechts beschlossen. Da diese Richtlinie uns als MusikerInnen direkt betrifft, haben wir uns dazu entschlossen, einen Artikel zu schreiben, der sich mit den Argumenten dafür und dagegen beschäftigt. Obwohl das Thema bereits zur Genüge diskutiert wurde, tun wir dies, weil es uns missfällt, wie ganze gesellschaftliche Gruppen („MusikerInnen“, „Generation YouTube“, etc.) in die Kategorien Pro und Contra Urheberrecht eingeteilt werden. Von diesem Schubladendenken möchten wir uns ausdrücklich distanzieren und jeden dazu aufrufen, sich anhand der Fakten selbst ein Bild zu machen.

Hier ist der Link zum Text der Richtlinie, Artikel 17 (früher 13) beginnt ab Seite 121.

Dieser Blogbeitrag ist zur besseren Lesbarkeit in vier Teile aufgeteilt. Viel Spaß beim Lesen!


Teil 1: Eine kurze Geschichte des Internets.
Teil 2: Die Reform.
Teil 3: Hält die Reform das, was sie verspricht?
Teil 4: Proteste und Kritik: Warum ist der Ton so scharf?


Was regelt die Reform?

Kommen wir nun zum eigentlichen Inhalt der Reform. Grob gesagt, geht es im umstrittenen Artikel 17 (vorher Artikel 13) um folgendes: Plattformen wie z.B. YouTube, die urheberrechtlich geschützte Werke präsentieren, sollen dazu verpflichtet werden, selbst sicherzustellen, dass keine Urheberrechtsverletzungen vorliegen. Dazu sollen Lizenzverträge mit den Rechteinhabern abgeschlossen werden. Was nicht lizensiert ist, darf gar nicht erst hochgeladen werden. Die Richtlinie hat noch viele Nebenaspekte und Fallstricke, die den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen würden. Prinzipielles Ziel ist es jedoch, die Rechte von UrheberInnen zu stärken und sie fairer an den Einnahmen zu beteiligen.

Diese Regelung soll die bisher geltende Notice-and-take-down-Regelung ersetzen, die PlattformbetreiberInnen erst dann in die Haftung nimmt, wenn gemeldete Urheberrechtsverstöße nicht entfernt werden. Für das Hochladen war bisher der Nutzer oder die Nutzerin verantwortlich. Dies soll mit der neuen Regelung entfallen, oder anders ausgedrückt: Wenn ich als NutzerIn etwas hochlade und die Plattform veröffentlicht es, kann ich davon ausgehen, dass alles rechtmäßig ist.

Dies ist zunächst einmal eine gute Nachricht für alle Kreativschaffenden. Niemand sollte dazu gezwungen sein, seine Kunst umsonst zugänglich zu machen oder es in Kauf zu nehmen, dass andere es tun und damit eventuell sogar noch großen Konzernen Gewinne zu ermöglichen. Die aktuelle Situation spielt den Konzernen in die Hände und schützt die KünstlerInnen zu wenig. Darüber sind sich sowohl KritikerInnen wie BefürworterInnen der Richtlinie einig: Ursprünglich war es Julia Reda (Piratenpartei), die 2015 eine Reform des Urheberrechts anregte. Mittlerweile gehört sie zu den schärfsten KritikerInnen.

Abgesehen von Artikel 17 gibt es noch Artikel 11, der das Leistungsschutzrecht der journalistischen Medien regeln soll. Auch dieser Artikel ist umstritten, soll aber hier nicht weiter erläutert werden.

Ab wann gilt die Reform?

Die Reform stellt zunächst einmal eine Richtlinie dar, die den einzelnen Staaten der EU als Vorlage gilt, eigene Gesetze zu verabschieden. Sie tritt also nicht sofort in Kraft. Die Staaten sind zwar verpflichtet, sie umzusetzen, haben dabei aber Spielraum.

Besonders die deutsche Bundesregierung wird vor einem Dilemma stehen: Laut Koalitionsvertrag soll es keine sogenannten Upload-Filter geben. Die genaue technische Umsetzung der Richtlinie wird aber laut IT-ExpertInnen ohne solche nicht möglich sein. Auch Axel Voss (CDU), einer der Hauptverfechter der Richtlinie, gab in einem Interview lediglich an, es könnten in den nächsten zwei Jahren neue Möglichkeiten der Umsetzung der Richtlinie ohne Upload-Filter gefunden werden. Stand heute konnte er keine Alternative nennen. Die Bundesregierung geht mittlerweile davon aus, dass Upload-Filter „vorraussichtlich […] zur Anwendung“ kommen werden.

Aber auch auf europäischer Ebene könnte es noch ein juristisches Nachspiel geben. Zunächst einmal muss die Richtlinie noch vom Rat der Europäischen Union bestätigt werden, was allerdings als Formsache gilt. Doch danach gibt es noch eine größere Hürde: Es ist durchaus denkbar, dass Teile der Richtlinie gegen europäisches Recht verstoßen. Der Europäische Gerichtshof könnte die Richtlinie also ganz oder in Teilen kassieren. Wie groß diese Wahrscheinlichkeit ist, ist schwer einzuschätzen. Allerdings hat der EuGH in der Vergangenheit mehrfach Upload-Filter für rechtswidrig erklärt. Verschiedene Parteien und Gruppierungen haben bereits Klagen angekündigt.

Was sind Upload-Filter?

Als Upload-Filter bezeichnet man ein Programm, das eine Datei daraufhin überprüft, ob sie oder Teile von ihr gewisse Kriterien aufweisen, in diesem Fall, ob sie urheberrechtlich geschützt ist. Wenn z.B. Text A daraufhin überprüft werden soll, ob er Passagen aus Text B enthält, muss Text B in einer Datenbank gespeichert sein. Das Programm vergleicht beide Texte und gibt aus, an welchen Stellen Übereinstimmungen vorhanden sind. Ist dies der Fall, wird der Upload verhindert. Komplexer wird es, wenn Text A Zitate aus Text B enthält oder eine Parodie ist. Dann müsste das Programm so konfiguriert sein, dass es dies erkennt und den Upload freigeben. Dass die technische Umsetzung davon nicht so einfach ist, werden wir in Teil 3 erläutern.

Laura & Daniel

Das war Teil 2, hier geht’s zu Teil 3: Hält die Reform, was sie verspricht?


Über uns: Wir, das Harfenduo Laura Oetzel & Daniel Mattelé, sind freischaffende MusikerInnen und bei keinem Arbeitgeber fest angestellt. Wir sind keine Mitglieder bei der GEMA oder anderen Verwertungsgesellschaften. Laura Oetzel ist Mitglied im Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV) und bei Ver.di. Darüber hinaus sind wir Mitglieder im Verband der Harfenisten in Deutschland (VdH e.V.). Wir präsentieren einige unserer Konzertmitschnitte über die Plattform YouTube, haben dort aber keine Monetarisierung eingeschaltet. Keine der oben genannten Gruppierungen oder Unternehmen unterstützt uns finanziell oder hat Einfluss auf unsere Blogbeiträge. Die Beiträge stellen ausschließlich unsere persönliche Meinung dar. (Stand: April 2019)

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