„Musik mit Staubflocken dran“ – Begegnungen mit der GEMA, Teil 1

Die GEMA… Welcher Musiker hat nicht schon damit zu tun gehabt? Und nach allem, was wir selbst erlebt und uns befreundete MusikerInnen berichtet haben, sind diese Begegnungen nicht immer positiv verlaufen. In diesen beiden Artikeln schildern wir die Odyssee, die wir in unserem bisherigen Berufsleben mit der GEMA hinter uns gebracht haben.

Die „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“

Die GEMA ist eine Verwertungsgesellschaft für Musik in Deutschland, vergleichbar mit der VG Wort. Sie setzt das Urheberrecht für Musikwerke durch, indem sie Gebühren beispielsweise für die Aufführung von geschützten Werken erhebt. Wenn man Werke aufführen möchte, deren Urheber noch lebt oder der innerhalb der letzten 70 Jahre gestorben ist, fallen Gebühren an.

So einfach dieses sicherlich sinnvolle Prinzip in der Theorie klingt, so kompliziert wird es in der Praxis. Es ist nämlich bei weitem nicht so, dass man einfach einen festen Teil seines Gewinns an die GEMA abführen muss. Nein, für die Berechnung muss man zunächst unterscheiden, ob man U- oder E-Musik macht und dann – je nachdem – die Sitzplatzkapazität, den Eintrittspreis oder sogar die Quadratmeter des Saals in eins von den zahlreichen Formularen eintragen und an die GEMA senden. Die GEMA schickt dann eine Rechnung. Und die kann es in sich haben: Zunächst einmal sind die (Basis-)Preise in vielen Kategorien so hoch angesetzt, dass auch schon mal die Hälfte oder mehr des Gewinns drauf geht. Und zweitens sind auch die Berechnungen der GEMA nicht immer zu 100% zuverlässig…

Dies ist nur einer von mehreren Kritikpunkten an der GEMA, der von vielen Stellen geteilt wird. Beispielsweise unterstützt der Deutsche Tonkünstlerverband (dazu später mehr…) grundsätzlich die Arbeit der GEMA, stellt aber auch Probleme und Reformbedarf fest: „insbesondere bei der Berechnung und Erhebung von Entgelten kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten und problematischen Ergebnissen, die einer Überprüfung bedürfen und gegebenenfalls auch Änderungen sinnvoll und notwendig erscheinen lassen.“

Die Schwierigkeiten mit der GEMA führen unserer Erfahrung nach dazu, dass besonders kleine KünstlerInnen oder Veranstalter sich scheuen, GEMA-pflichtige Werke aufzuführen. Selbst namhafte KünstlerInnen fühlen sich manchmal gezwungen – zum Beispiel auf Druck des Veranstalters –, ein Werk „umzubenennen“ oder den Komponisten als „Anonym/Traditional“ zu deklarieren, um der GEMA zu entgehen. Das ist natürlich nicht im Sinne der Musik und schon gar nicht im Sinne der KomponistInnen, für die die GEMA ja eigentlich Vorteile bringen soll.

Kontingentverträge und Härtefallnachlassregelungen – unser erster Kontakt mit der GEMA

Vor ein paar Jahren wollten wir schon einmal GEMA-pflichtige Werke in ein paar Konzerten spielen. Da wir von der Thematik keine Ahnung hatten, ließen wir uns von der GEMA telefonisch beraten. Das Gespräch verlief eher zäh, die Mitarbeiterin rückte nur spärlich mit Informationen heraus. Immer wieder fragten wir sie, ob es denn wirklich keinen günstigeren Tarif als den in der Gebührentabelle für E-Musik gab. Dieser sieht aktuell für ein Konzert mit bis zu 100 Personen Saalkapazität und einem Eintrittspreis von 15 € schlanke 250 € vor, damals vielleicht etwas weniger. Dies wären immerhin mehr als 15% der Einnahmen – gesetzt den Fall, dass auch wirklich 100 Leute kommen und alle den vollen Eintritt zahlen! Irgendwann bot sie uns immerhin den Kontingentvertrag an. Bei diesem Vertrag muss man mindestens vier Konzerte anmelden und bekommt 50 % Rabatt.

Die Konzerte liefen in jenem Jahr leider nicht so gut und die GEMA-Gebühren fraßen einen Großteil unserer Einnahmen auf; bei einem Konzert überstiegen sie diese sogar. Wir recherchierten im Netz, was wir nun tun könnten und stießen auf die sogenannte „Härtefallnachlassregelungen“. Diese Regelung besagt, dass man einen Antrag bei der GEMA stellen kann, wenn die GEMA-Gebühren mehr als 10% der Einnahmen betragen würden. Leider erfuhren wir, dass diese Regelung nicht bei Kontingentverträgen anwendbar ist. Das hatte die freundliche Dame am Telefon wohl vergessen zu erwähnen – ebenso wie die Existenz der Härtefallnachlassregelungen. Verständlicherweise hatten wir nach diesem Erlebnis erst einmal genug von der GEMA und planten unsere nächsten Konzerte dementsprechend ohne GEMA-pflichtige Werke.

Ein kleiner Ausflug in den Gebührendschungel

Dass die GEMA-Gebühren nicht 10% der Einnahmen überschreiten sollen, scheint etwas merkwürdig, wenn man einen Blick auf die Gebührentabelle für E-Musiknutzung wirft. Nicht nur bei unserem Tarif (100 Personen, 15 € Eintritt) überschreitet der GEMA-Anteil diesen Wert deutlich. In der Tat ist es sogar so, dass es beim Tarif „Saalkapazität bis 100 Personen“  bei sämtlichen Eintrittspreisvarianten rechnerisch nicht möglich ist, unter die 10% zu kommen, selbst wenn der Saal ausverkauft ist und alle den höchsten Eintrittspreis zahlen. Und jeder klassische Musiker wird wissen, dass ausverkaufte Säle nicht gerade die Regel sind.

Und was ist, wenn die Maximaleinnahmen verfehlt werden? Angenommen, man hat ein Konzert mit einer Saalkapazität von 80 Personen und der Eintritt beträgt 15 € / 10 € ermäßigt. Dann muss man laut GEMA den oben genannten Betrag von ca. 250 € zahlen. Kommen nun aber nur 40 Personen und zahlen diese im Schnitt 13 € Eintritt (ein für kleine Kammermusikkonzerte realistischer Wert), würde fast die Hälfte der Einnahmen an die GEMA gehen. Wer noch zusätzliche Ausgaben wie Fahrtkosten oder Saalmiete hat, macht schnell ein Minusgeschäft.

Wie ist diese Gebührentabelle also zu erklären? Zunächst einmal muss man der GEMA zugute halten, dass sie verschiedene Nachlässe gewährt; den Kontingentvertrag hatten wir oben schon erwähnt. Außerdem gibt es Rabatte für Programme mit nur einem geringen Anteil GEMA-pflichtiger Werke. Den vollen Betrag dürften also nur die wenigsten zahlen.

Interessant ist der Punkt „7. Gesamtvertragsnachlass“ in der Gebührentabelle : Dort steht: „Mitgliedern von Organisationen, mit denen die GEMA einen Gesamtvertrag […] geschlossen hat, wird ein Nachlass entsprechend den gesamtvertraglichen Vereinbarungen eingeräumt.“ Das bedeutet, dass manche Organisationen quasi eigene Tarife mit der GEMA aushandeln können. Unter diese Regelung fallen z.B. Kirchen oder der DTKV, die oft deutlich vergünstigte Tarife erhalten. Auf der Seite der GEMA sind hunderte dieser Organisationen aufgelistet.

Außerdem  gibt es den Punkt „3. Nachweislich nicht bezuschusste Veranstaltungen“, in dem steht, dass 15% Rabatt auf Konzerte gewährt werden, die nicht von der öffentlichen Hand bezuschusst werden. Die GEMA geht also davon aus, dass es der Regelfall ist, wenn Konzerte in dieser Form gefördert werden. Das passt natürlich wunderbar zu unserem Blogbeitrag Faire Bezahlung von MusikerInnen – ist das überhaupt möglich?, in dem wir unter anderem der Frage nachgehen, ob sich Veranstaltungen der klassischen Musik ohne Sponsoren überhaupt noch rechnen. Allerdings muss man auch diesen Rabatt relativieren: Wer Sponsorengelder erhält, muss diese bei der Härtefallnachlassregelung als Einnahmen berücksichtigen!

Und da dürfte die Erklärung für die hohen Basispreise in der Gebührentabelle liegen: Die GEMA möchte wohl verhindern, dass einzelne Veranstalter durch die verschiedenen Vergünstigungen zu geringe Gebühren zahlen oder sich durch Sponsoring „armrechnen“ und die Härtefallregelung beantragen. Das ist natürlich sinnvoll für die Kreativschaffenden, denen somit auch bei solchen Veranstaltungen faire Vergütungen garantiert werden. Leitragende sind aber die, die keine oder nur geringe Vergünstigungen erhalten und somit den vollen Preis zahlen müssen. Dies sind vor allem kleinere KünstlerInnen und Veranstalter. Sie zahlen dann zwar verhältnismäßig hohe Gebühren, machen aber in der Gesamtbilanz der GEMA nur einen kleinen Teil aus. Die GEMA und ihre Mitglieder können auf diese Gebühren also locker „verzichten“, wenn Veranstaltungen wegen zu hoher Gebühren nicht stattfinden können oder das Programm GEMA-frei sein muss. Das ist aus unserer Sicht aber fatal, weil besonders diese kleineren Veranstaltungen zur künstlerischen Vielfalt beitragen und den Leuten einen Zugang zur klassischen Musik außerhalb der großen Konzertsäle ermöglichen.

Dringender Reformbedarf

Die GEMA hat wahrscheinlich keine andere Wahl, als so zu wirtschaften. Am Ende muss die Gesamtbilanz und die Ausschüttung an die KomponistInnen stimmen. Die Überlegung wird lauten: Im Schnitt zahlen die Veranstalter XY% des Grundbetrags, also muss der Grundbetrag entsprechend erhöht werden. Das bedeutet: Je mehr Rabatte die großen Veranstalter bekommen, desto höher wird der Grundbetrag für die kleinen (und natürlich auch die großen) Veranstalter. Dadurch bekommen die kleinen Veranstalter Probleme und können eventuell keine Konzerte mehr ausrichten, wodurch der Anteil XY weiter sinkt und der Grundbetrag wieder erhöht werden muss. Dieses Spiel kann die GEMA natürlich nicht ewig weiterspielen. Irgendwann wird die Politik eingreifen und Reformen fordern (Was in der Vergangenheit auch schon passiert ist). Das könnten zum Beispiel niedrigere Sätze für kleine Veranstalter, ein Freibetrag oder der Gewinn anstatt der Einnahmen als Berechnungsgrundlage sein. Doch dann wird die GEMA ein Problem haben: Die Gesamtverträge mit den Organisationen behielten natürlich ihre Gültigkeit. Die Rabatte würden nach wie vor gelten und müssten zu einem neuen Berechnungssystem kompatibel sein. Das dürfte sehr schwierig werden.

Wir persönlich sind große Befürworter des Urheberrechts. Die Arbeit der GEMA ist prinzipiell wichtig und richtig. Doch Kritik an der GEMA muss auch erlaubt sein. Das Problem ist, dass die GEMA-Gebühren manchmal die Aufführung moderner Werke verhindern, weil sie in keinem Verhältnis zu den Einnahmen stehen. Urheberrecht ist eine gute Sache, aber in heutigen Zeiten muss an der Umsetzung gefeilt werden. Die GEMA scheint uns was Transparenz, Benutzerfreundlichkeit, und Kundenberatung angeht nicht gut aufgestellt zu sein. Besonders den Punkt „Kundenberatung“ werden wir im zweiten Teil dieses Artikels genauer beleuchten.

Laura & Daniel

3 Comments

  1. Rene sagt:

    Bin grad via google bei recherchen auf dieser Seite gelandet. Leider hat mans als Musiker schwer die möglichen Probleme einzuschätzen. In Gesprächen ist einfach immer alles total toll und supi. Man soll auf jeden Fall Mitglied werden etc … Und dann liest man sowas wie hier, oder auch den Artikel hier http://metalpodcast.de/blog/gema-lieber-nach-hause/
    Da muss man sich schon genau überlegen ob das wirklich alles so supi für einen ist :/

    • Laura & Daniel sagt:

      Da hast Du leider recht… Wir haben nicht den Eindruck, dass man als kleiner ausübender Musiker Vorteile von einer Mitgliedschaft bei der GEMA hat.
      Danke auch für den Hinweis auf den Blogbeitrag von Metalpodcast. Da gibt es viele Übereinstimmungen bei kleinen Bands und freiberuflicher Kammermusik!
      Viele Grüße
      Laura & Daniel

  2. Jörg Lenau sagt:

    Hallo Laura und Daniel, ich hatte zu meinen ureigenen Ergründungen über das ‘Ver-Wertungswesen’ der (musikalischen) Gaben, eine ausgiebige Dokumentation über eine Musikgruppe erfaßt und was hierüber in Erscheinung trat, bringt den Sachverhalt entsprechend auch auf den Punkt. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei der GEMA gar nicht um den Sachverhalt einer ‘Vertretung’ der Urheber, sondern einzig um deren ureigene verwertungsgesellschaftliche Gegebenheit. DARIN besteht die zugrundeliegende Misere. Wie sich herausstellt, hat man jedoch genau dies bisher noch gar nicht erkannt und so habe ich hierzu noch einmal explizit, diesen Gegenstand des Gegenübertretens des GEMA-Werkens gegenüber dem Urheberwerken sachtechnisch-rechtlich zusätzlich dazu verfaßt und ist miteinander über meine Internetseite veröffentlicht: https://www.sya.de/splash/

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